Die Bedeutung des ganzheitlichen Ansatzes bei der Digitalisierung

Die Bedeutung des ganzheitlichen Ansatzes bei der Digitalisierung

Im Interview mit Harald Meurer, Träger des Bundesverdienstkreuzes und Gewinner des Exzellenz-Preises Manager & Macher

Bereits seit 1998 hilft das Team der Firma AGIDOS Unternehmen dabei ihre Marke zu formen und Technologien sinnvoll einzusetzen. Im Interview sind wir diesmal mit dem digitalen Kopf hinter AGIDOS, Harald Meurer, der bereits als Internetpionier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde und 2018 den deutschen Exzellenz-Preis in der Kategorie „Manager & Macher“ erhielt.

Als Themenpaten und Experte auf der Bühne 5 des DIGITAL FUTUREcongress am 8. November in der Messe Essen sprechen wir heute über digitale Evolution, das Kaufverhalten der Omni-Channel-Käufer und schließlich über ein Zukunftsszenario Digitalisierung in Deutschland.

DFC: Zuallererst interessiert uns natürlich für was genau Sie das Bundesverdienstkreuz erhalten haben. Wie hat sich das ergeben?

Harald Meurer: Das war 2012. Das Bundespräsidialamt rief mich an und fragte, ob ich die Auszeichnung annehmen würde. Wie genau es zustande kam weiß ich nicht. Die Auswahl kann bis zu einem Jahr dauern und bedarf einer umfangreichen Recherche und vieler Gespräche mit Persönlichkeiten aus der Branche. Anschließend gibt es einen umfangreichen Bericht über die Person und ihr Wirken und der Bundespräsident entscheidet persönlich, ob die Auszeichnung vergeben werden soll. In meinem Falle erhielt ich sie als Internetpionier, da ich schon sehr früh digitale Technologien in den unterschiedlichsten Branchen einsetzte. 

DFC: Die Ansprüche der Kunden im digitalen Zeitalter ändern sich rasant. Wie wichtig ist ihrer Meinung nach ein ganzheitlicher Ansatz bei der Digitalisierung der Unternehmen?

Harald Meurer: Manche Unternehmen glauben immer noch, dass unter Digitalisierung eine nette Website als eigenständiger Kommunikationskanal neben dem klassischen Marketing zu verstehen ist. Über dieses Stadium sind wir aber schon seit Jahren hinaus. Inzwischen greift die Digitalisierung in alle operativen Prozesse eines Unternehmens ein. Ein Unternehmen ohne eine langfristige und ganzheitliche Strategie in der Digitalisierung über alle Unternehmensbereiche hinweg hat meiner Meinung nach keine echte Überlebenschance.

DFC: Hier fällt immer öfter der Begriff “Digitale Evolution”. Was hat es damit auf sich?

Harald Meurer: 1998 sprachen wir noch von der digitalen Revolution. Aus heutiger Sicht waren die ersten Ansätze in der Digitalisierung doch sehr überschaubar. Diese haben sich aber in den letzten 20 Jahren rasant weiterentwickelt. Damals hätte man sich kaum vorstellen können, komplexe Produkte wie Gleitsichtbrillen, Schuhe oder Pflanzen über das Internet zu bestellen. Heute ist das Standard. Nicht nur die Technologien und Ideen haben sich weiterentwickelt, sondern auch das Verbraucherverhalten - und das in allen Bereichen. Wir sind noch lange nicht am Ende. Evolution bedeutet aber nicht nur Weiterentwicklung, sondern auch Selektion und Verdrängung. Technologien und Konzepte, die vor 10-15 Jahren noch vielversprechend waren, gibt es heute schon nicht mehr. Branchenfremde Anbieter dominieren heute Märkte, von denen man nie geglaubt hätte, dass hier ein externer Anbieter Fuß fassen könnte. Und das nur aufgrund digitaler Konzepte. Branchenführer, die sich lange gegen die Digitalisierung gewährt haben, gibt es heute nicht mehr oder sie haben noch gerade so den Turnaround geschafft. Die digitale Evolution ist wie die Natur: Ziemlich gnadenlos! Sie wird nur die weiterbringen, die frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannt haben.    

DFC: Herr Meurer, im Moment kann man gerade im Beratungs- und IT-Markt eine deutliche Bewegung hin zum Customer Centricity feststellen. Was bedeutet das für die Unternehmen konkret?

Harald Meurer: Dieser ganzheitliche Ansatz ist äußerst komplex und lässt sich nicht ohne Weiteres überall implementieren. Vielmehr sind Veränderungen auf allen Ebenen eines Unternehmens notwendig. Da stellt sich zunächst auch die Frage, ob man das überhaupt will. Customer Centricity ist als Konzept zugleich nicht neu. Der Satz „Der Kunde ist König“ drückt im Grunde die gleiche Leitidee aus. Neue Aspekte sind vielmehr die Fokussierung auf die Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten, um die Customer Journey oder Customer Experience positiv zu gestalten.

Eine Firma, die kundenorientiert arbeitet, generiert Mehrwerte für den Kunden, die sich in verschiedenen Formen zeigen – je nachdem an welchem Punkt sich ein Kunde in der Bewertung befindet. Als Neukunde wird er dem Unternehmen erste Daten zur Verfügung stellen. Als Stammkunde hat er dies bereits getan. Letzteres erlaubt eine noch persönlichere Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen. Mithilfe von Big Data können Profile erstellt werden, um die Kundenbeziehungen positiv zu beeinflussen. Dabei darf das Unternehmen nicht aus den Augen verlieren, dass die Kundenorientierung auch transparent und wirkungsvoll nach Außen kommuniziert werden muss. Erst dann, wenn der überzeugte Kunde als Sprachrohr das hohe Lied des Unternehmens singt und dessen Botschaft verbreitet, ist das Ziel von Customer Centricity erreicht.

DFC: Tatsächlich kaufen heute Kunden sozusagen über alle möglichen Kanäle online und offline Produkte und Dienstleistungen und das nicht nur im B-2-C sondern auch immer mehr im B-2-B Bereich. Wie stellt sich ein Unternehmen optimal auf den Omni-Channel-Käufer ein?

Harald Meurer: Das Problem im Bereich B2B sind die bisherigen traditionellen Vertriebswege: Produzent = Importeur oder Vertrieb, Großhandel, Einzelhandel = Konsument. Alle wollen ein Stück vom Kuchen. Durch die Digitalisierung haben es Produzenten aber einfach, direkt an den Konsumenten heranzutreten und sparen sich die Zwischenmargen oder bieten einfach günstiger an. Gerade Anbieter aus Branchen, die diese alten Vertriebskanäle nicht mehr haben, sind die Gewinner im Internet. Andere wiederum scheuen diesen Schritt, weil sie sich mit ihren traditionellen Vertriebskanälen nicht kannibalisieren wollen. Jedoch ist diese Rücksichtnahme schlichtweg falsch. Vielmehr bedarf es neuer Strategien, diese Vertriebskanäle in eine Online-Strategie zu integrieren. Das eine tun ohne das andere zu lassen. Immer mehr Kunden kommen zu uns und lassen sich genau solche neuen Absatz-Strategien entwickeln und digital umsetzen. Darin liegt meiner Meinung nach die Zukunft. Nur der klassische Großhandel wird die digitale Evolution nicht überleben, wenn Sie mich fragen. Er ist einfach überflüssig geworden.

Im Bereich B2C sieht es nochmal anders aus. Die Zukunft des Einzelhandels liegt klar in der Kombination. Das Geheimwort heißt hier „Click & Collect“. Im Internet suchen, reservieren und dann im Laden vor Ort abholen. Analysen besagen, dass jeder sechste Kunde sich zwar stationär informiert, dann aber dennoch online einkauft. Im Gegenzug hat sich jeder vierte Kunde vor dem Kauf im Geschäft online informiert! (Quelle: VUMA) Und genau um diese Zielgruppe geht es. Natürlich verliert der stationäre Einzelhandel Umsatz an das Onlinegeschäft. Er kann aber auch diese Kommunikationsmöglichkeit als Chance für sich nutzen, um neue Zielgruppen zu erreichen und auf sein Sortiment aufmerksam zu machen. In der Kombination Offline/Online liegt meiner Meinung nach die Zukunft für den Handel. Nicht ohne Grund eröffnen große reine Digitalanbieter wie Amazon oder Zalando stationäre Geschäfte. Große Einzelhandelsmarken wie Saturn und Media Markt sind inzwischen, wenn auch spät, im Internet erfolgreich unterwegs. Kleine Einzelhändler, die sich z.B. mit einem Lieferanten zusammen tun haben die Chance, an solchen Modellen zu partizipieren. Dies haben wir mit unseren Lösungen erfolgreich bewiesen.

    

DFC: Dieses Jahr 2018 sind Sie mit dem Deutschen Exzellenz-Preis in der Kategorie „Manager & Macher“ ausgezeichnet worden. Dazu natürlich unsere Gratulation! Was zeichnet Sie bzw. auch AGIDOS aus?

Harald Meurer: Natürlich freue ich mich über all die Auszeichnungen der letzten 20 Jahre, jedoch nehme ich das nicht allzu ernst. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein ziemlicher Querdenker bin. Der Zukunfts- und Trendforscher Sven G. Janszky beschreibt mich in seinem Bestseller „Rulebreaker – Wie Menschen denken, deren Ideen die Welt verändern“ zumindest als solchen. Vermutlich hat er Recht. Eingefahrene Wege sind nicht mein Ding. Stillstand ist Rückschritt, gerade in der Digitalbranche. Der Name AGIDOS kommt da nicht von ungefähr. Wir agieren mehr als nur auf Marktentwicklungen zu reagieren. Wir helfen, Märkte mit neu zu gestalten.    

DFC: Die langjährige Erfahrung gibt Ihnen die Möglichkeit auch ein Zukunftsszenario Digitalisierung zu formulieren. Herr Meurer, wo geht die Reise hin?

Harald Meurer: Persönlich glaube ich, dass wir erst am Anfang stehen. Was sind schon 25 Jahre Internet? Schlagworte wie „Big Data, CI oder Blockchain“ sind keine Visionen mehr. Sie sind längst unter uns. Die Digitalisierung wird die Welt, unser Handeln, Denken und unsere Kommunikation stärker verändern als alles, was vorher dagewesen ist. Es wird viele Gewinner, aber auch viele Verlierer geben. Ganze Berufsbereiche werden verschwinden, neue werden entstehen. Das bedeutet: Wir sprechen nicht mehr über eine Revolution, sondern über eine echte Evolution - und die haben die Neandertaler und Dinosaurier bekanntermaßen auch nicht überlebt. Wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt, wird sich bei den Evolutions-Verlierern einreihen dürfen.

Große Sorgen macht mir zudem die Entwicklung in Deutschland: Wir liegen aktuell im unteren Drittel im europäischen Vergleich. Von den 20 größten Digitalfirmen ist keine einzige aus Deutschland. Aber bereits neun aus China! China pusht ihre Digitalfirmen mit immensen Mitteln. Es ist heute schon absehbar, dass die USA gegen China in der Digitalisierung weltweit kaum noch eine Chance hat. Währenddessen hat Deutschland nicht mal ein Ministerium für die Digitalisierung, was in vielen anderen Ländern längst Standard ist. Das ist tragisch. Deutschland lebt von seinen Pfründen der Vergangenheit. Wie lange wird das noch gut gehen?    

DFC: Am 8. November in der Messe Essen sind Sie nicht nur Themenpaten und Experte auf der Bühne 5 und damit für die Moderation der Innovations-Bühne verantwortlich, sondern halten auch selbst einen Vortrag. Auf was dürfen sich die Besucher der Veranstaltung freuen?

Harald Meurer: Ich werde über die Chancen der Digitalisierung im Bereich Vertrieb und Handel, speziell in der Symbiose von Online und Offline berichten. Aber nicht nur theoretisch, sondern ganz real. Hierfür werde ich ein tolles Beispiel aus der Praxis mitbringen, das zeigt, wie in starren konservativen Branchen mit guten Ideen und Technologien neue Absatzkanäle gefunden wurden – On- und offline. Lassen Sie sich überraschen!  

DFC: Wir bedanken uns für dieses ausgesprochen informative Gespräch und wünschen Ihnen schon jetzt eine erfolgreiche Veranstaltung.

Das Interview führte Michael Mattis Veranstalter des DIGITAL FUTUREcongress

 

 

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